Kontrastreiches Stadtleben. Can Isik drückt in Sharjah City auf den Auslöser.

 

 

Ungefilterte Aufmerksamkeit im Moment

Wie würdest du deine Fotografie beschreiben?

«Fotografie ist für mich so faszinierend, weil es besonders mit dem Sein verbunden ist. Ich sehe darin schon eine fast spirituelle meditative Qualität, Momente festzuhalten. Denn das Leben ist nichts weiter als eine Sequenz von Augenblicken und es ist heute, in beschleunigten Zeiten wie diesen, eine grosse Herausforderung in der Gegenwart zu bleiben. Die Aufmerksamkeit bewusst und ungefiltert auf einen Moment zu konzentrieren, bereitet mir eine grosse erlebte Gegenwärtigkeit und somit ein Glücksgefühl der ganz besonderen Art. Fotografieren ist für mich in diesem Sinne eine Art der kreativen Auseinandersetzung mit dem Augenblick und eine Form der Auseinandersetzung mit mir selbst. Diese Momente später mit anderen Menschen zu teilen und ihre Reaktionen auf gewisse Bilder zu erfahren, bereitet mir Freude.»

 

Was ist für dich die Herausforderung an der Fotografie?

«Herausforderung und Anspruch sind, die erlebte Szenerie möglichst so einzufangen, wie ich sie ganzheitlich in diesem Augenblick aufnehme. Vereinfacht könnte man sagen, dass ein Foto erst dann lebt, wenn die erfahrene Emotionalität auch darin transportiert wird. Meistens fotografiere ich aus dem Bauch heraus und versuche möglichst spontan zu bleiben. Blende und Belichtungszeit wähle ich meistens instinktiv. Ich versuche auch nicht, möglichst viele verschiedene Sequenzen zu schiessen, was bei der digitalen Technik und der hohen Speicherkapazität der heutigen Kameras durchaus üblich ist. Das kommt wahrscheinlich daher, dass ich lange analog fotografiert habe. Beim Fotografieren instinktiv zu bleiben und sich darauf verlassen zu können, macht am meisten Spass.»

 

Fotografie ist …

«… eine bewusst gewählte gegenwärtige Verbindung mit dem fokussierten Subjekt oder Objekt.»

 

Zur Person 

Can Isik (1969) fotografiert seit über 20 Jahren. Er besitzt keine Fotobücher, hatte nie spezielle Vorbilder, die ihn inspiriert haben. Wenn dies jemand tat, dann sein Vater, durch den er das Fotografieren erst entdeckte. Nach einer KV-Ausbildung, Berufsmatura und einer Weiterbildung in visueller Kommunikation hat er heute zwei berufliche Standbeine und Leidenschaften: Er ist als Selbständiger in der Werbung tätig und Musiker, Frontmann der Band Mizan.

Auf den Auslöser drückt Isik vor allem, wenn er auf Reisen ist und Zeit und Muse hat, seine Umgebung visuell zu entdecken. Das Equipment spielt in der Regel eine untergeordnete Rolle. Meistens arbeitet er mit einer digitalen Spiegelreflexkamera, einer D90 von Nikon. «Ich bleibe gerne schlank auf meinen Fototouren und mag es nicht, viel Material rumzuschleppen. Auch Nachtaufnahmen mache ich oft ohne Objektiv aus der Hand. In der Not tut es auch eine Handykamera.»

 

Zum Foto

«Wir befinden uns in der Innenstadt von Sharjah City. Diese Stadt gibt ebenfalls einem der sieben Arabischen Emirate seinen Namen. Ich mache gerade eine kleine Pause, an eine Wand gelehnt, bei meinem Besuch der alten Märkte, die noch im traditionell islamischen Stil gebaut sind. Eine Mauer umgibt diese kleine Medina. Hier tickt die Zeit anders. Es ist ein ruhiger Ort, wo in vielen alten Lehmgebäuden alte Traditionen – Schriftrollen, Kalligraphien, Bücher – bewahrt werden und Schulen für traditionelle islamische Handwerkskunst angeboten werden. Rund um die Mauer wuchert die urbane Masse. Übervölkerte, verstopfte Strassen, Abgase, Lärm. Hier hinter der Mauer ist eine Oase der Besinnung. Ich ruhe mich aus und gerade läuft dieser Araber mit traditioneller Kleidung vorbei. Ich nehme schnell meine Kamera, fokus- siere und drücke ab. Geschützt von der Mauer läuft  der Araber zu seinem Bestimmungsort. Dahinter sieht man ansatzweise die hässlichen Rückseiten der Beton- und Glasgebäude mit ihren Ventilatoren der Klimaanlagen und ihren Kühlwassertanks. Klassische Kontraste in einem Bild.»

 

Das Portrait über Can Isik entstand im Februar 2010. abbild.ch

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