«Das Meer ist das erste Gross-Ökosystem, das aufgrund des Klimawandels sehr wahrscheinlich sterben wird», sagt Claudia Schildknecht.

 

 

Grenzen der Fotografie

«Visual Storyteller» steht auf ihrer Website, «longterm journalism» und «conceptual art» auf Instagram. Es sind ungleiche Begriffe. Doch sie beschreiben alle treffend das Schaffen von Claudia Schildknecht, die mit ihrer Kamera dicht und emotional unterschiedlichste Themen dokumentiert. Ihr jüngstes Projekt zeigt: Die Fotografin ist vielmehr Aktivistin statt Geschichtenerzählerin.

 

«Mein Leben ist kompliziert.» Mit diesem Satz beginnt Claudia Schildknecht ihren Werdegang zu schildern. Ihre Vita hat Kanten und ist überraschende Wege gegangen. Doch gleichzeitig hält ihre Biografie wie ein roter Faden ihre vielfältigen Fotografie-Projekte zusammen. Die gebürtige St.Gallerin studierte in Luzern Camera Art und wohnte während ihrer Ausbildung in einem Haus voller Wohngemeinschaften. «Das war eine enorme Vernetzungsplattform», sagt sie rückblickend.

 

Bis heute ist sie privat und beruflich mit den Menschen aus jener Zeit verbunden. Und bis heute begleitet sie die Abschlussarbeit ihres Studiums mit dem Titel «D’Nischeler». Die Fotos waren europaweit bereits auf zehn Ausstellungen zu sehen, landen beim Swiss Press Photo Award, in der NZZ, im Magazin. Jetzt ist sie an einem Buch zum Thema dran, «mit zwei Grafikern aus meiner WG-Zeit und einer Journalistin».

 

Ihr Austauschsemester absolviert Claudia in einem politischen Krisenherd, in Palästina und Israel, danach folgt ein Auslandaufenthalt in Malawi. Nach dem Studium führt sie eine Auftragsarbeit nach Südafrika, Neuseeland und Australien. Claudia Schildknecht fotografiert, taucht und arbeitet während ihres mehrmonatigen Aufenthalts auf dem fünften Kontinent Seite an Seite mit Meeresbiologen des Australischen Instituts für Meeresforschung.

 

Down Under markiert eine Zäsur in ihrer Arbeit und ist der Auftakt für ihr aktuellstes Projekt. Neben privaten Rückschlägen sieht sie sich in Australien mit einer ökologischen Katastrophe konfrontiert: mit dem Korallensterben, Massengräbern unter Wasser. «Von allen Projekten, die ich je gemacht habe, war das das Schlimmste. Ich war so müde nach diesem Aufenthalt.»

 

Nach der Rückkehr in die Schweiz kann sie ihre Bilder beim United Nation Office of Disaster Risk Reduction ausstellen. Schildknechts Arbeit findet Anklang. Doch das genügt der jungen Fotografin nicht. Sie hinterfragt die Fotografie, denn sie vermag auch eine der höchsten länderübergreifenden politischen Organisationen nicht zum Handeln bewegen.

 

«Wir werden heute von einer Bilderflut überschwemmt. Fotos werden kaum mehr wahrgenommen. Es braucht emotionale Erfahrungen.» Diese Erfahrungen möchte Schildknecht mit dem Biotop der Relevanz zugänglich machen. Das von ihr initiierte interdisziplinäre Bildungs- und Künstlerkollektiv wird mit 400 modellierten Keramikkorallen ein Riff nachbilden. In Ausstellungen und Veranstaltungen möchte das Kollektiv die Auswirkungen des globalen Klimawandels verdeutlichen.

 

 

Das Portrait über Claudia Schildknecht entstand im März 2020. Anfang April prämiert Swiss Press Photo 2020 ihre Bilderreihe «Die Korallenriffe sterben» in der Kategorie Ausland. claudiaschildknecht.com

Category
Beginning